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Chill mal deine Base!

Schneeschuhwandern in den Berchtesgardener Alpen

19.04.2024

Cooler Spruch, oder? Hey, chill mal deine Base! Auf unserer 5-tägigen Schneeschuh-Tour in die Berchtesgadener Alpen wird er zu unserem Leitmotiv.

Unser „Youngster“ Jeanette hat ihn bei passender Gelegenheit in die Runde geworfen. Danach - Lacher ohne Ende. Immer wieder kommt der Spruch auf´s Parkett und sorgt für viel Heiterkeit in unserer Truppe. Übrigens ein Dauerzustand auf der gesamten Tour, die Christian (Stolle) Stolina für den Zeitraum vom 23. bis zum 27. Februar ausgtüftelt hat. Außer Stolle und Jeanette sind noch Sylvia, Matthias, Kathleen, Chris und Stephanie mit von der Partie. Nicht zu vergessen -Vierbeiner Lollo. Zu ihm kommen wir später....

 

Der erste Österreicher, mit dem unser bunt zusammengewürfeltes Pfälzer Team auf „Tuchfühlung“ geht, ist tatsächlich völlig „gechillt“! Er ist Busfahrer von Beruf. Als er uns nach einer (fast) reibungslos verlaufenen Zugfahrt von Neustadt nach Salzburg schwer bepackt mit Rucksäcken und Wanderstöcken an der Haltestelle sieht, stellt er sofort klar: „Bergsteiger? Die fahren bei mir immer umsonst mir! Steigt ein!“ Keine Frage: der Mann setzt die richtigen Prioritäten. :-)  Wir freuen uns über den unerwarteten Willkommensgruß und nehmen Platz in seinem komfortablen Gefährt.

 

Die Busfahrt führt über Berchtesgarden an den Fuß des Jenner (1874 M). Per Seilbahn geht es von der Talstation aus in die Höhe. In der Luft schwebend, genießen wir einen ersten grandiosen Ausblick auf die Bergwelt oberhalb des Königssees. In der Nacht hat es kräftig geschneit. Die Gipfel sehen aus wie mit Zucker bestäubt. Keine Frage - besser hätten wir es nicht treffen können. Oben angelangt, steifen wir uns die Schneeschuhe über, checken LVS-Geräte, verteilen Sonden und Schaufeln und stapfen los. Ziel: das Carl-von-Stahl Haus am Torrener Joch. In der über 100 Jahre alten Berghütte fallen wir nach einem guten Abendessen in die Federn. Die Zimmer sind trotz zweistelliger Minusgrade ungeheizt. Wir wissen uns zu helfen und stibitzen Bettzeug aus den unbelegten Nachbarzimmern. Bei den Mädels türmen sich schließlich die Decken. Die Nacht ist gerettet und ausreichend warm. 

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen checken versierte Tourenmitglieder den Lawinenreport. Aktuell herrscht Warnstufe 3! Nach Rücksprache mit dem Hüttenwirt entscheidet Christian, dass wir den Aufstieg auf den nahegelegen Hausberg, den „Schneibstein“ (2276 M), riskieren können. Gesagt, getan! Bald darauf ziehen wir los, nicht ahnend, dass unsere heutige Bergtour alles andere als „gechillt“ verlaufen wird. Der Grund: das verbale Kräftemessen zwischen Schneeschuh- und Skitourengehern. Von wegen - am Berg sind alle gleich! Skitourengänger scheinen in der „alpinen Hackordnung“ deutlich privilegierter. Zumindest meinen das die Berchtesgardener Locals. Unser Vergehen? Wir  nutzen beim Aufstieg die Spur vorangegangener Skitourengeher. Von allen Seite her werden wir angepfiffen und mit bissigen Kommentaren „zur Schnecke gemacht“. Wie wir es „wagen können“, mit unseren Schneeschuhen, die Spur „zu zerstören“. Aber Ausweichen funktioniert nicht! Links von uns geht es steil in die Tiefe, auf der rechten Seite wachsen üppige Latschenkiefern. Doch soweit denken unsere Bergkollegen nicht. Gottlob ist unser echter Pfälzer Buuh Stolle nicht auf den Mund gefallen und kontert geschickt. Sollte es zum offenen Ringkampf kommen, beschließe ich, nach der „Vogel Strauß Methode“ zu verfahren – Kopf in den Schnee und stillhalten! Stunden später erreichen wir abgekämpft aber glücklich das Gipfelkreuz. Die Sonne strahlt, der Blick über die schneebedeckten Bergwipfel und den in der Ferne liegenden Watzmann lässt uns alle Strapazen und Nickligkeiten vergessen....Wir sind happy!

 

Nach unserem Abstieg steppt am Abend im Quartier dann noch der Bär. Die Hütte ist gerammelt voll, es ist Wochenende. Eine Frauengruppe am Tisch nebenan schnattert fröhlich drauf los, ein Glas folgt auf das nächste. Ich streiche irgendwann die Segel und verziehe mich auf´s Zimmer. Die Mädels im Erdgeschoss aber kennen keine Gnade, singen beschwingt drauf los. Unbestätigten Berichten zufolge soll in der Nacht noch wild auf den Tischen getanzt worden sein. Ob´s stimmt? Vielleicht findet sich die Wahrheit ja irgendwo in den Annalen der Carl-von-Stahl-Hütte wieder.

 

Nun aber zu Lollo. So heißt der vierbeinige Wirbelwind aus dem Hause Stolina. Lollo ist ein überaus munteres Kerlchen, spanischer Abstammung, von dortigen Jägern als „ungeeignet“ befunden und aussortiert. Bei Christian und Sylvia hat er ein neues Zuhause gefunden. Dabei hätten die Spanier Lollo mal in den verschneiten Alpen erleben sollen! Ihr Urteil wäre sicherlich anders ausgefallen. Lollo erweist sich als echte Kraftmaschine, fegt immer vorne weg. Läuft am Tag wohl fünfmal soviel wie wir Zweibeiner. Mal gerät er in eine Schneewehe, versinkt über beide Ohren und kämpft sich tapfer wieder hervor. Seine Leckerlis vergräbt er irgendwo in der weißen Pracht. Wir verstehen - er hat die feste Absicht, wiederzukommen! Nun ja, unsere gesamte Gruppe hat Freude an dem lustigen Gesellen und verwöhnt ihn mit Streicheleinheiten.

 

Auch an den folgenden beiden Tagen bildet Lollo stets die Vorhut. Platz 2 in der Marschordnung wird rotierend belegt. Oft kämpft sich Sylvia als erste durch den tiefen, unberührten Schnee. Der Job als „Schneewalze“ ist besonders anstrengend. Sylvia aber erweist sich als besonders „zäh“. Wir können die von ihr gesetzten Spuren nutzen, das schont die Kräfte enorm.

 

Bei schönstem Sonnenschein erkunden wir am Tag darauf die weitläufigen Waldungen am Torrener Joch. Der Bergsattel bildet die Grenze zwischen Bayern und dem österreichischen Bundesland Salzburg. Allen tut es sichtlich gut, die Wärme auf der Haut zu spüren. Mehrere Stunden lang stapfen wir durch teils unberührte Schneefelder. Zum Abschluss geht es noch hinauf auf den „Jenner“. Unsere Mühe werden belohnt: Der Panoramablick vom Gipfel aus ist spektakulär. Zu unseren Füßen erstreckt sich der tiefblaue Königssee, eingebettet von steilen Berghängen rund um die Ortschaft Schönau.  In der Ferne ist die „Hexe“ erkennbar - eine Bergformation mit überlanger „Nase“ und ausuferndem „Kinn“. Der „Pfaffenkegel“ (1837 M)  ist am letzten Tourentag unser Ziel. Diesmal pfeift uns der Wind um die Ohren, und stimmt -kurioserweise- ein lustiges Liedchen auf unseren Wanderstöcken an. Die Löcher in den Stöcken verwandeln sich bei entsprechender Brise in eine Flöte und sorgen für ein zauberhaftes Konzert mitten im Schnee.

 

Ein kleines ÖPNV-Schmankerl noch zum Abschluss unserer wunderschönen Reise. Auf unserer Heimfahrt schickt uns die Deutsche Bahn in München gleich viermal (!) mit Sack und Pack von Gleis zu Gleis. Immer wieder wird die Ankunft unseres Zuges auf einen anderen Bahnsteig verschoben. Selbst geduldigsten Reisenden platzt da der Geduldsfaden. Vielleicht sollte der DAV Ludwigshafen ja mal ein ernstes Wörtchen beim Bahnvorstand einlegen? Und den leidgeplagten Kunden unser Motto nahelegen. Trouble mit der Bahn? Kein Problem! Chill mal deine Base, dann läuft es runder! Ein bisschen Galgenhumor braucht es eben bei der Bahn......

 

von Stephanie Ley