© DAV-LU / Stephan Erling

Das Siebenmalacht des Kletterns

Klettern im Frankenjura

31.07.2023

Ein voller Ironie gespickter Bericht von Torsten Oster: Eigentlich hatte ich wieder einen schönen Kurs wie vor zwei Jahren erwartet. Der versierte Leser mag sich noch erinnern als Markus Weigand uns im Frankenjura zu Eiben, Elfen und Schlössern führte...

und Eigentlich waren die Voraussetzungen ja auch bestens. 3 Teilnehmer – neben mir noch Marco und Thomas – waren die gleichen. Aber genau da lag auch schon das erste Problem: Die 2 weiteren Teilnehmer Raffael und Malte. Aber erst mal alles der Reihe nach:

Stephan bot dieses Jahr wieder im Juni eine Fahrt ins Frankenjura an mit erwartetem Level 6ter und 7ter Grad. Am ersten Tag war die Welt noch in Ordnung. An der Weißen Wand starteten wir bei sonnigem Wetter mit schönen 5ern zum Warmmachen und gingen dann schnell zu 6ern über und testeten die eine oder andere 7er an. Im Tagesverlauf wurde es doch heißer, die Sonne briet uns am Fels und bei letzterem Grad reichte es zumindest bei den 3 Frankenjura Wiederholungstätern noch nicht zu einem Durchstieg.

Dem heißen und schwülen Klettertag folgten kühles Frankenbier und heftige langanhaltende Gewitter/Regengüsse in der Nacht. Der Blick aus dem Fenster während des Frühstücks am Folgetag verhieß nichts gutes: Statt 33 Grad und Sonne, 13 Grad und Sprühregen. Stephan kam dann auf die glorreiche Idee, doch einfach mal an den Fels zu fahren und zu sehen, ob was geht oder sich zumindest mal den Fels anzusehen (nochmal: Es hatte die ganze Nacht heftig geregnet und tiefgraue Sprühregenvorhänge zogen vor uns vor dem dunklen Waldpanorama vorbei). Ich war noch nicht richtig wach und die anderen wohl auch nicht. Niemand widersprach und irgendwann wurde mir klar, dass wir mit hektisch ausschlagen Scheibenwischern auf nassen Straßen in Richtung Soranger Wand fuhren. Je näher das Ziel, desto grauer der Himmel. Auf dem Parkplatz angekommen, wurde der Regen stärker. Jetzt zu dem ersten Problem: Malte. Malte konnte leider nur zwei Tage mit und musste am Abend weg. Das hieß für ihn, entweder heute noch an den Fels oder gar nicht mehr im Frankenjura. Wer Malte kennt (ich kannte ihn da ja noch nicht wirklich), weiß, was das heißt. Die Autotür ging auf und im Regenjacken und kurzer Hose jagte er dann zum Fels „Ich geh nur mal gucken.“ Jetzt war ich wach und dachte: Ist der verrückt geworden? Es wurde noch skuriler: Neben uns parkte ein VW-Bus ein. Zielstrebig mit Regencapes und Regenjacken stieg ein Pärchen aus und lief ebenfalls schnurstracks Richtung Fels. Spätestens dann fragte ich mich: Stimmt etwas mit mir nicht, oder mit dem Rest hier? Malte rief uns vom Fels aus an: „Der Fels ist trocken und unter einem Felsdach können wir die Rucksäcke ins trockene stellen.“ Alle anderen stiegen aus, zogen den Regenschutz über die Rucksäcke und folgten mit geöffneten Schirmen bewaffnet Malte.

Es gibt Momente, da merkt man, dass man nicht wirklich eine Wahl hat. Was blieb mir da anderes übrig? Ich folgte. Am Fels angekommen: Regenschutz und Schirm waren nass, der Fels war aber tatsächlich trocken. Kletterkundige können sich sicherlich denken, dass entsprechend stark abdrängende und überhängende Felsen selten mit leichten Schwierigkeitsgraden starten. Mangels Auswahl hing Raffael dann auch gleich eine 6+ zum Toprope-Warmklettern ein. Sein wertvoller Tip: „Ihr müsst euch jetzt nicht in der Tour, sondern vorher hier unten richtig warm machen.“ „Da können wir ja auch gleich mit einer 7- starten, oder?“ Mein gut gemeinter Scherz wurde offensichtlich grundlegend missverstanden und Malte schob das zweite Seil zur „Zeitspiel“, 7-. Bis auf eine giftige Piaz-Stelle kam er da zum Warmklettern auch direkt in einem durch. An der gleichen Stelle hatte auch ich im Toprope einen Hänger. Nebendran an der 6+ versuchten sich Marco und Thomas.

„Die 8 da sieht doch gut aus“ – das war das Dach unter dem unsere Rucksäcke standen. Malte kämpfte sich mit Hängern durch „Schweine im Weltall“ – trotzdem Respekt. Und spätestens jetzt dämmerte es mir langsam, dass das vielleicht nicht Frankenjura im 6ten und 7ten Grad hätte heißen müssen, sondern eher Frankenjura im 7ten und 8ten Grad. Daneben sah dann mein Topropeversuch mit einem Hänger an der 7- eher blass aus. Was solls, ich geh noch mal rein. Und siehe da, die 7- klappte auch ohne Hänger im Vorstieg. Stephan stieg passend zum Tag die „Sauwetter“ (7-) durch.

Trotz der widrigen Umstände endete der Klettertag deutlich erfolgreicher als ursprünglich gedacht am späten Nachmittag bei einer heißen Tasse Tee und frischem fränkischen Landkuchen.

Tag 3, Problem 2. Malte hatten wir am Vortag in letzter Minute noch zum bereits einfahrenden Zug bringen können und der dritte Tag begrüßte uns mit heiterem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Was konnte da noch schiefgehen…

Das man sich nicht nur im alpinen weglosen Gelände verirren kann, sondern auch im Zeckengestrüpp im Frankenland lernten wir schnell am Zustieg zu den Zimmerbergwänden. Im Gegensatz zum Vortag fiel mir die glatte 5 zum Warmklettern schon schwer. Vielleicht waren die Arme trotz abendlicher Dehnübung zu vorbelastet. Den vermeintlich leichten Routen folgten dann wieder – so als sei das halt normal – die 7er und 8er: Thomas und Marco boulderten „Lot’s Weib“ aus, eine  7- mit schwierigen abdrängenden Metern oben. Das bestätigte auch Stephan, der an der Stelle gut ziehen musste. Raffael hatte einen Tipp von einem Freund für eine „nette“ 8 bekommen.

Die „Rolling Stone“ sei genial. Am Ende war es ein riesiger tonnenschwerer Felsblock mit gut und gerne 3 Metern Durchmesser, der Eingeklemmt zwischen zwei Felswänden von unten munter umklettert werden musste. Wie der wohl da hingekommen ist? Bei falschem klippen der zweiten Exe war ein Bodensturz nicht ganz unwahrscheinlich. Daher Obacht beim Sichern. Im zweiten Versuch schaffte Raffael dann auch das Felskuriosum – auch hier Respekt. So macht man sich selbst das schönste Geburtstagsgeschenk. „Du musst jetzt aber den Starfighter Kandidatenweg machen. Der hat eine coole Linie“, sagt er dann zu mir. Ihr erinnert euch ja noch an die dicken Arme in der 5. Diese Route war eine glatte 7. Nachdem Stephan dann auch damit anfing, fühlte ich mich bedrängt.

Weiterer Nachteil war, dass Raffael ja gerade erst mit der 8 durch war und im Gegensatz zum Vortag niemand die 7 für mich eingehangen hatte. „Dann arbeitest du dich halt im Vorstieg Stück für Stück vor.“ Ach – so einfach ist das? Ach ja, dann… Der erste Haken war noch gut ankletterbar und schwup, die Exe hängt. Seil drin. Weiter. Dann wurde es schon etwas unangenehmer, aber noch nicht 7. Die Zweite ist noch drin. Zur Dritten dann die Schlüsselstelle. Mit Hängen und Würgen (durchaus hier wörtlich zu nehmen) und Panik-Exe das Seil in der Dritten. Erst nach 2-fachem Ausbouldern kam ich dann an der Stelle vorbei und an den schönen überhängenden henkeligen Abschluss. Üben und merken der genauen Zugfolge ist wichtig, um diese dann später kraftminimal durchsteigen zu können – soviel zur Theorie. Eingehangen war sie schon mal, aber halt kein sauberer Vorstieg. Stephan und Raffael zeigten mir dann, wie man das in einem Rutsch im Vorstieg ohne Zwischenhalt zu lösen hat. Der zweite Versuch ohne Panik-Exe, aber mit noch einem Hänger. Die Arme waren schon reiflich dick. Ach was solls – top oder flop. Ggf. größenwahnsinnig geworden von den 8ter Projekten von Malte und Raffael bin ich nochmal rein – und dann auch jetzt nicht mehr gewusst wie – oben ohne Hänger. Hui, geschafft! Im Gegensatz zum Starfighter-Film erwartete mich oben aber kein Alien mit einem Spezialauftrag, sondern unten die Glückwünsche der beiden Agitatoren.

Das abendliche Grillgelage in unserer Unterkunft (Erlebniscenter Jura Alpin in Hirschbach) war ein gelungener Mix aus Grillgemüse, Grillkäse und für konventionelle Esser auch Wurst und Steak – nebst Frankenbier.

Am letzten Tag hatten Stephan und Raffael in erfolgreicher Zusammenarbeit (fachmännischer Austausch über die beste Linie durch die Route) ihre 8- Durchstiege an der „Ein Stein zu viel“ in der Hartensteiner Wand. Auch hier wurde in der Route nichts verschenkt. Ziehen, ziehen, ziehen. Thomas und Marco arbeiteten passend zu meiner Starfighter Route gestern und zu den Schweinen im Weltall an „Seientsfiktschn“ (7-), bevor sie zum Abschluss und lockerem Abklettern dann spielend eine 6- im Vorstieg durchstiegen.

Und was habe ich von der Fahrt mitgenommen? Es geht mehr als du denkst. Einfach mal probieren!

Das sagen die anderen:

Raffael: „Meine Highlights waren die kurze und witzige Tour ‚Rolling Stone‘ (8) an dem Klemmblock bei den Zimmerbergwänden. Und die Route ‚ein Stein zu viel‘ (8-) an der Hartensteiner Wand die ich zusammen mit Stephan projektiert und durchgestiegen bin. Vor allem das gemeinsame auschecken der Routen und Überlegen der besten Beta hat mir Spaß bereitet.“

Stephan: „Wir haben bei 33 Grad in der Sonne und am nächsten Tag bei 13 Grad im Regen geklettert. Erkenntnis: Klettern im griffigen Kalk des Frankenjura macht bei fast jedem Wetter Spaß!“

Thomas: „Für mich war es toll zu sehen, dass ich im Vergleich zum letzten Jahr dazu gelernt habe und mich verbessern konnte. Auch wenn mir der komplette Durchstieg in den Zimmerbergwänden nicht geglückt ist, am Ende des Tages nach dem Ausbouldern der Route war einfach nicht mehr genug Kondition da…, war es ein tolles Erlebnis die ‚Lot’s Weib‘ (7-) klettern zu können. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr!“ und zu der Tour meint Kletterpartner Marco: „Das Projektieren war zwar noch nicht erfolgreich, aber wenigstens weiß ich jetzt, an welchen Schwächen ich arbeiten muss. “

Malte: „Mit ‚Schweine im Weltall‘ (8) hat mich mein Blick an der Soranger Wand mal wieder nicht enttäuscht. Von den Worten im Führer ‚merkwürdige Kletterei‘ darf man sich nicht abschrecken lassen, sondern einfach die unerwarteten, aber schönen Griffe genießen. Mit ein bisschen mehr Willen zum Ausprobieren wäre sicherlich auch ein sauberer Durchstieg dringewesen. Insgesamt war die Fahrt mal wieder ein sehr gelungener Ausflug in den Kalkstein und eine neue Erfahrung außerhalb der Jugend.“

Besten Dank noch an Stephan für die Organisation und die Tipps!

von Torsten Oster