© DAV-LU / Stephanie Ley

Schneeschuhwandern im Schwarzwassertal

Allgäuer Alpen, Vorarlberg, Österreich

19.08.2022

Unser Ziel: Wir knacken die 6tausend! Nun ja, nicht am Stück, sondern verteilt auf drei Tage á 2000. Eine Rechnung, die aufgeht?

Wir starten am Freitag, den 25. Februar mit einem Zug der Deutschen Bahn. Als Gruppenreise ist das ein erstaunlich günstiges Vergnügen. Hin- und Rückfahrt nach Oberstdorf kosten gerademal 25 Euro pro Nase. Die Reise schont also Geldbeutel und Klima. Wie schön! Die Fahrt läuft völlig relaxed. Unsere lustige Truppe lernt sich kennen: Da ist unser erfahrener „Leader“ Christian, Sonja, Julia und Holger, Jürgen, Andreas und Stephanie. Ein bunter Mix aus erfahrenen Schneeschuh-Bergsteigern und absoluten „Frischlingen“. Alle mit einer guten Portion Abenteuerlust ausgerüstet und guter Laune im Gepäck. Bis auf einen Zugausfall in Stuttgart verläuft die Reise wie geplant. Zwei Busfahrten weiter erreichen wir unser erstes Ziel: Die Talstation der Seilbahn unterhalb des „Hohen Ifen“. So heißt der höchste Gipfel im Schwarzwassertal, ein Zweitausender mit imposantem Fels-Plateau.

Es geht unmotorisiert, sprich mit eigener Muskelkraft, weiter! Schwer bepackt mit großen Rucksäcken stiefeln wir los – Corona-bedingt enthält unser Backpack nämlich auch Bettwäsche für die Übernachtung auf der Hütte. Die Schneeschuhe knirschen unter den Bergschuhen, ein ganz eigener, völlig ungewohnter „Sound“! Wir lassen die Zivilisation hinter uns und tauchen ab in den verschneiten Wald. Die Zeit drängt ein wenig, da wir nicht in die Dunkelheit gelangen wollen. Der Wind fegt uns um die Ohren, die Landschaft ist märchenhaft schön: Dicke, weiße Flocken legen sich auf unsere Gesichter, hohe Schneewehen säumen den Weg, da sind Tannen, deren pudrig weißbedeckte Zweige tief herabhängen, ein ruhig daliegender See. Angesichts der weihnachtlich anmutenden Szenerie bekommen wir eine Ahnung davon, mit welch´ traumhaft schönen Natur-Impressionen wir in den nächsten Tagen verwöhnt werden sollen. Die Schwarzwasser-Hütte erweist sich als absoluter Volltreffer! Wir sind in Zweibettzimmern einquartiert, die komplette Ausstattung ist aus Holz und urgemütlich. Sonja ist begeistert von dem Waschbecken im Zimmer. So ein Luxus sei selten, sagt sie. Nach einem formidablen, dreigängigen Dinner sinken wir müde in unsere Betten.

Den nächsten Morgen lassen wir ruhig angehen. Am Tisch ist u.a. das Kriegsgeschehen in der Ukraine Thema. Wir diskutieren heftig und sind entsetzt angesichts des Leides, welches das Land
und seine mutig sich verteidigenden Einwohner erleiden müssen. Wir beschließen, das schreckliche Geschehen zwar im Herzen zu tragen, aber unseren Urlaub nicht von Putins brutaler Kriegslust
diktieren zu lassen.

Also: Konzentration auf die Sache! Christian überprüft die Wetterlage und informiert uns über die Lawinensituation. Mit Schaufel, Sonde und LVS-Gerät ausgestattet, verlassen
wir schließlich die Hütte. Unser Ziel ist der Gipfel des „Hählekopf“ (2058 Meter). Bei strahlendem Sonnenschein stapfen wir durch den hohen Schnee, Guide Christian vorneweg. Die anderen folgen in Reihe und Glied, immer darauf bedacht, in die Fußstapfen des Vordermannes zu treten, denn das spart Kraft! Jürgen sieht in seiner dicken, blauen Daunenjacke wie ein Alaska-Reisender aus. Er ist kaum zu bremsen, voller überbordender Freude. Eine solch´ zauberhafte Schneelandschaft, wie sie sich vor unseren Augen auftut, sagt er, habe er noch nie in seinem Leben gesehen. Die Neulinge in unserer Runde lernen auf dieser ersten, nicht übermäßig langen Wanderung eine ganze Menge: Wie wichtig es ist, angesichts der körperlichen Anstrengung und zehrender Kälte, immer Wasser und energiereiche Zwischenmahlzeiten greifbar zu haben, stets die umliegenden
Berghänge im Blick zu behalten, um einer möglichen Lawinengefahr aus dem Weg zu gehen. Außerdem: Zu viel Reden kostet Kraft - also statt dauerhaft zu quatschen, lieber die wunderbare Schneelandschaft ruhig genießen! Last but not least: Der vielgepriesene Zwiebel-Look. Wir spüren am eigenen Leib wie essentiell die richtigen Klamotten in dieser rauen Bergwelt sind. Der Körper braucht definitiv die passende „Hülle“, um gegen den steten Wechsel zwischen warm und kalt, zwischen schweißtreibendem Aufstieg und ruhigem Genießen auf dem windigen Berggipfel gewappnet zu sein. Und noch eines wird uns bei dieser rund vierstündigen Schnuppertour klar: Unsere Gruppe harmoniert konditionell, alle können locker mithalten und sind den Anforderungen an das Bergsteigen mit Schneeschuhen gewachsen. Nicht nur Christian dürfte das mit großem Wohlwollen registriert haben.

An den folgenden beiden Tagen „rocken“ wir dann das „Grünhorn“ (2039 Meter) und das „Steinmandl“ (1982 Meter). Mit der Schonung ist es vorbei, es geht ans Eingemachte! Unsere
siebenköpfige Truppe hat unglaubliches Glück: Die Sonne lacht konstant vom Himmel, die sorgsam ausgewählten Routen führen durch kilometerweite, teils völlig unberührte Schneefelder fernab von jeglichem Massentourismus. Verkehrslärm, Einkaufsgedudel, das Radio in Dauerschleife – hier können wir die sonst so dominierenden Alltagsgeräusche endlich einmal vergessen. Wir tauchen ab in eine Natur und Berglandschaft, die anderen Gesetzmäßigkeiten folgt: Wir sichten Gämsen und wundern uns über deren Behändigkeit, entdecken Spuren von Tieren im Schnee, deren Zuordnung fantasievollste Kapriolen auslösen: Suchte hier ein Hase Unterschlupf im Gehölz? Strich dort etwa
ein Wolf um das Tannenwäldchen? Stammen die dicken Tatzen gar von einem Bären? Irgendjemand erzählt, dass „Meister Petz“ durchaus schon in den Alpen gesichtet wurde, ohne allerdings scharf auf menschliche Gesellschaft zu sein. Irgendwie beruhigend dieser Hinweis!

Die Mühen des Aufstiegs zum „Grünhorn“ und „Steinmandl“ sind just in dem Moment vergessen, als die Berggipfel in Sichtweite geraten. Der Blick über die schneebedeckten Gebirgskämme ringsum ist atemberaubend. Es braucht eine gute Weile, bis wir uns an der imposanten Szenerie sattgesehen haben. Danach ist erstmal eine ausführliche Vesper angesagt: Ein zünftiges Brot, Käse und Energieriegel werden ausgepackt. Warum nur schmeckt die Stulle hier so viel besser als daheim? Vor dem Abstieg gibt es noch ein ausführliches Fotoshooting. Unsere Erfolge müssen schließlich für die Nachwelt und unsere Lieben in der Heimat dokumentiert werden. Außerdem will Christian unbedingt ein Porträt am Gipfelkreuz mit Andreas und Jürgen, die beide Mitglieder in Christians Arbeitsstelle, dem Sportstudio Rössler in Neustadt sind.

Von größeren Blessuren bleiben wir auf unserer 5-tägigen Schneeschuh-Tour übrigens verschont. Allenfalls eine kleine Blase am Fuß oder ein leichter Sonnenbrand hat der ein oder andere
Teilnehmer zu verschmerzen. Nur ein einziges Mal schrillen bei uns die Alarmglocken, als ausgerecht unser „Guide“ die Rolle rückwärts macht und einen ziemlich steilen Hang runterkugelt.
Das Resultat eines einzigen Fehltritts im Schnee! Gottseidank bricht sich unser „Pfälzer Bu“ weder Arm noch Bein und kann über sein kleines Missgeschick schon bald wieder frotzeln.

Die Bilanz unseres Ausflugs in die Allgäuer Alpen? Mit der Fahrt ins österreichische Schwarzwassertal haben wir einen „Sechser im Lotto“ gelandet! Das Ziel, die 6000er zu knacken, wurde locker gewuppt! Außerdem ist allen Teilnehmern auf der Rückfahrt im Zug sonnenklar: Für keinen von uns wird das wohl das letzte Abenteuer auf Schneeschuhen gewesen sein. Es wird ein Wiedersehen geben, versprochen!

von Stephanie Ley